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Das Beste aus seiner Anlage herausholen
Flexibilität im Stromsystem

 

Flexibilität - was bedeutet das eigentlich?

Flexibilität, laut Internationaler Energieagentur, beschreibt "das Ausmaß, in dem Nachfrage und Angebot am Strommarkt auf Schwankungen - erwartet oder nicht - angepasst werden können."  Eurelectric definiert sie als "die Änderung von Erzeugungseinspeisung und/oder Verbrauchsmustern als Reaktion auf ein externes Signal (Preissignal oder Aktivierung), um eine Dienstleistung innerhalb des Energiesystems zu erbringen." 

Beide Definitionen beziehen sich auf die Anpassungsfähigkeit, die von äußeren Einwirkungen beeinflusst wird:

Anpassungsfähigkeit: Flexibilität kann abhängig von der Auswirkung auf die jeweilige Energie entweder als positiv oder negativ klassifiziert werden. Durch positive Flexibilität können Energiemengen erhöht werden, indem entweder Erzeugung hochgefahren oder Verbrauch verringert wird. Negative Flexibilität hingegen bezieht sich auf das Potenzial, Energie durch Herabsetzen der Erzeugung oder Steigern des Verbrauchs zu reduzieren.

Spezielle Anlagen können sowohl negative, positive als auch eine Kombination beider Arten besitzen. Die Flexibilität eines Systems hängt von Ausmaß und Geschwindigkeit der Anpassung an Erzeugung bzw. Verbrauch ab. 

Äußere Einwirkungen: Faktoren, die Betreiber dazu veranlassen Angebot und Nachfrage anzupassen können wirtschaftlicher oder physischer Natur sein. Physische Faktoren können beispielsweise Nachfragespitzen sowie Täler in täglichen Lastkurven, wetterbedingte Lastschwankungen, volatile Erzeugung aus erneuerbaren Energien sowie geplante oder ungeplante Kraftwerksausfälle sein. 

Wirtschaftliche Faktoren beziehen sich vor allem auf fluktuierende Preise auf Ausgleichs- und Spotmärkten. Um von günstigen Preisen zu profitieren, können Marktteilnehmer Angebot und Nachfrage an die Situation anpassen. Preisänderungen am Markt sind oft ein Spiegelbild physikalischer Faktoren, sodass sie in der Praxis eng miteinander verbunden sind.

Wer hat das Zeug zum Flexibilitätsanbieter?

Nahezu jede Stromquelle, ob Last oder Speicher, hat das Potenzial für Flexibilität. Wie die folgende Tabelle zeigt, hat dennoch jede Art besondere Eigenschaften:

Art der Flexibilität Art der Flexibilität positiv/negativ Typische Reaktionszeiten Globale Kapazität GW 2019 / 2030* Bedeutung
Stationäre Batteriespeicher Beide (Milli)Sekunden 25 / 100 Niedrig & wachsend
Pumpspeicher Beide Sekunden 160 / 240 Moderat
Wind & PV Negativ Sekunden bis zu Minuten 1500 / 3200 Hoch
Thermal generation Beide Minuten bis zu Stunden

Gas: 1900 / 2300

Coal: 2100 / 2100

Nuclear: 450 / 500


 
Sehr hoch
Demand Side Management Entweder oder beide

Anwendungsabhängig

50 / 100 Niedrig
E-mobility: smart chargers und vehicle-to-grid Beide (Milli)Sekunden - / 600 Niedrig & wachsend

*Quellen: IHA (Pumpspeicher), Guidehouse Insights (DSM), IEA (alle anderen)

Batteriespeicher

Da Flexibilität quasi der Grund ist, warum Speicher überhaupt gebaut werden, gehören sie gleich an erster Stelle der Liste. Insbesondere Batteriespeicher wurde als Schlüsseltechnologie positioniert, um das volle Potenzial fluktuierender Erzeugung aus Wind- und PV auszuschöpfen. Sie speichern überschüssigen Strom, wenn der Wind weht oder die Sonne scheint und liefern Strom, wenn es windstill wird und die Sonne untergeht. Als solche bieten sie sowohl positive als auch negative Flexibilität.

Batteriespeicher sind erst in den letzten Jahren vermehrt zum Einsatz gekommen, gewinnen aber durch zunehmende (teils auch ausgereifte) Projekte stetig an Bedeutung. Batterien eignen sich hervorragend um Strom zu speichern, da sie extrem effizient und schnell arbeiten, mit Anlaufzeiten im Nanosekundenbereich. Degradierung durch Lade- und Entladezyklen sind jedoch auch der Grund, warum die am häufigsten verwendeten Lithium-Ionen-Batterien nur eine begrenzte Anzahl von Zyklen pro Tag und während ihrer Lebensdauer bewältigen können. Darüber hinaus werden die meisten Batteriespeicherprojekte an Bedürfnisse von Ausgleichsmärkten angepasst. Leider ist das häufig anzutreffenden Energie-Leistungsverhältnis für andere Anforderungen an das Stromnetz, wie beispielsweise den Ausgleich von Fahrplänen auf dem Intraday-Großhandelsmarkt, bei weitem nicht ideal. Mit technischen Fortschritten werden Verbesserungen beider Faktoren dazu führen, dass Batteriespeicherlösungen immer interessanter für die Intraday-Optimierung werden.

Pumpspeicher 

Pumpspeicherkraftwerke sind eine der ältesten und ausgereiftesten Speichertechnologien und bieten - wie fast alle Speicher - sowohl positive als auch negative Flexibilität. Überschüssiger Strom wird genutzt, um Wasser in ein höher gelegenes Reservoir zu pumpen. Zur Rückgewinnung wird das Wasser in ein niedriger gelegenes Reservoir abgelassen und was durch den Einsatz von Turbinen Strom erzeugt. Pumpspeicherkraftwerke bieten eine natürliche, saubere und flexible Speicherung, die mit kurzen Anlaufzeiten eingesetzt werden kann. Das Energie-Leistungsverhältnis unterscheidet sich stark von dem der meisten Batteriespeichersysteme und ist deshalb besser für den Handel auf dem Intraday-Markt geeignet. Auf der anderen Seite weisen Pumpspeicherkraftwerke höhere Effizienzverluste auf. Die wichtigsten limitierenden Faktoren sind jedoch die begrenzte Anzahl an geeigneten Standorten und die hohen Baukosten.

Wind & PV

Da sie vollständig vom Wetter abhängig sind, werden Wind und PV-Anlagen nicht immer als flexibel angesehen. Im Wesentlichen erzeugen sie immer dann Strom, wenn der Wind weht oder die Sonne scheint. Es gibt also keine Möglichkeit sie "aufzudrehen", um Energieknappheiten entgegenzuwirken oder von steigenden Preisen zu profitieren. Moderne Wind und PV-Anlagen können jedoch viel schneller abgeschaltet werden als traditionelle Kraftwerke, was sie zu einem potenziellen Anbieter von negativer Flexibilität macht. Aufgrund der Wetterdynamik ergänzen beide oft gegenseitig: wenn auf Sonnenseite mehr produziert wird, sinkt die Produktion durch Windkraft. Infolgedessen bietet eine Kombination beider Anlagen nicht nur eine konstantere Energieversorgung, sondern auch Möglichkeiten auf einen Stromüberschuss zu reagieren und von kommerzieller Optimierung zu profitieren.

Thermisch

Zu thermischen Anlagen zählen konventionelle, fossile Kraftwerke, aber auch moderne KWK-Anlagen (Kraft-Wärme-Kopplung). Diese werden mit verschiedenen Brennstoffen, darunter Abfall, Biogas oder Biomasse betrieben. KWK-Anlagen sind besonders effizient, da die Abwärme der Stromerzeugung für industrielle Zwecke oder Fernwärme genutzt werden kann. In der Praxis optimieren viele KWK-Anlagen ihren Betrieb, um den Wärmebedarf zu decken, während der erzeugte Strom als Nebenprodukt betrachtet wird.

Sowohl KWK-Anlagen als auch traditionelle Wärmekraftwerke sind geeignete Anbieter positiver Flexibilität, aber auch negativer, wenn die zuvor geplante Erzeugung reduziert wird. In vielen Teilen der Welt stellen thermische Erzeugungsanlagen immer noch die primäre Energiequelle dar, wobei sich das Verhältnis aufgrund der Energiewende und dem damit vermehrten Einsatz Erneuerbarer Energie kontinuierlich ändert. Thermische  Kraftwerke haben bis heute die Schlüsselrolle, als Backup zu dienen und Nachfragespitzen abzudecken. Auch an Orten, wo thermische Energie vorherrscht, werden bestimme Anlagen als "Puffer" verwendet um Nachfragespitzen abzudecken. In beiden Fällen ist Flexibilität - insbesondere die Minimierung der Anlaufzeiten - ein wichtiger Aspekt des Anlagenbetriebs. Verschiedene Brennstoffe haben deutlich unterschiedliche Anlaufeigenschaften, z.B. messen Kohlekraftwerke Anlaufzeiten in Stunden, während Gasturbinen in wenigen Minuten hochgefahren werden können.

Bei der enormen Menge ungenutzter Wärmekapazität sind thermische Kraftwerke die größte verfügbare Quelle für Flexibilität, und dies wird sich wahrscheinlich in absehbarer Zeit nicht ändern.

Demand Side Management

Bislang haben wir nur über das Flexibilitätspotenzial der Erzeugerseite gesprochen. Was ist also mit Energieverbrauchern? Auch sie können ihren Verbrauch anpassen, wenn sie die richtigen Anreize erhalten. Demand-Side Management (DSM) bezieht sich auf die Möglichkeit, Stromverbräuche zu reduzieren oder erhöhen und Lasten zu günstigeren Zeitpunkten zu verschieben. Bei den meisten DSM-Anwendungen ist Flexibilität entweder nur positiv oder negativ, obwohl sie beides anbieten könnten. Eine Industrieanlage kann ihren Produktionsablauf beispielsweise vorübergehend erhöhen, um überschüssige Energie aufzunehmen. Schauen wir uns Papierfabriken oder Zementwerke an, haben diese die Möglichkeit, flexiblen Lastspitzen zeitlich zu verschieben um von Preisänderungen zu profitieren.

In der Praxis wird das DSM derzeit hauptsächlich mit großen kommerziellen Verbrauchern durchgeführt. DSM auf Endverbraucherebene existiert nicht über Pilotprojekte hinaus, da spezifische Anwendungsfälle, in denen private Nutzer dafür belohnt werden, dass sie die Kontrolle über ihre Geräte aufgeben oder auf Komfort verzichten erst entwickelt werden müssen. Insgesamt macht DSM nur einen kleinen Teil der verfügbaren Flexibilität aus.

E-Mobilität

Eine weitere Art um Flexibilität anzubieten ist das Laden von Elektrofahrzeugen. Hier unterscheidet man vor allem zwischen zwei Anwendugsfällen. Zum ersten kann eine intelligente Ladestation die Ladegeschwindigkeit oder Startzeit anpassen, um so von günstigem Strom zu profitieren und für Flexibilität zu sorgen. Betrachten wir zum Beispiel ein einfaches Ladegerät: Es startet normalerweise sofort und mit voller Leistung. Unglücklicherweise sind die meisten Elektrofahrzeuge heutzutage in den Morgen- oder Abendstunden an das Stromnetz angeschlossen, wenn die Preise am höchsten sind. Flexibilität ergibt sich aus der Möglichkeit, den Ladevorgang zu verzögern und dennoch sicherzustellen, das Fahrzeug rechtzeitig auf das gewünschte Niveau aufzuladen. Innerhalb des festgelegten Zeitfensters kann durch Verschiebung des Ladevorgangs so auf kurzfristige Preisänderungen reagiert werden. Das Ziel besteht darin, Fahrzeuge mit unidirektionalem Stromfluss aus dem Netz zu laden.

Die zweite Option, die als Vehicle-to-Grid (V2G) bezeichnet wird, besteht darin, die Autobatterie selbst zu nutzen und bei Bedarf aktiv Strom in das Netz einzuspeisen. V2G kann die Flexibilität im Netz erheblich erhöhen, solange es technische Einschränkungen und die Präferenzen des Autobesitzers zulassen. Eine Gruppe von Ladefahrzeugen kann aggregiert werden und als verteilte Batteriebank fungieren. Diese Lösung erfordert jedoch bidirektionale Ladegeräte, die noch am Anfang ihrer Entwicklung stehen.

Was kann man also aus diesem Blogpost mitnehmen? Das Potenzial für Flexibilität ist überall vorhanden! In einem Folgebeitrag werden wir weiter auf die Möglichkeiten eingehen, aus flexiblen Anlagen Gewinne zu lukrieren.  

 

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